Im Fokus stehen geschiedene und getrennte Eltern, die anhaltende Konflikte bezüglich Sorgerechts- und Umgangsvereinbarungen haben.
Von Marcel Borer
Wie und um was wird gestritten?
Auf der Ebene der elterlichen Beziehung beklagen die Elternteile gegenüber ihrem Ex-Partner verstärkt verbale Aggression, aber auch stärkeres Rückzugsverhalten, erhöhte Neigung zu Streitigkeiten sowie geringere Kompromissbereitschaft, nicht hingegen vermehrte körperliche Aggression.
Der Hauptvorwurf im Hinblick auf erzieherische Fragen ist neben dem eher unbestimmten Vorurteil geringer Erziehungskompetenz der, dass der andere Elternteil das Kind in den elterlichen Konflikt involviert und gegen einen selbst beeinflusst.
Hochstrittige Eltern zeigen mangelnde Selbstwirksamkeit und starkes Misstrauen
Negative Langzeitfolgen für Kinder
Ein hohes Konfliktniveau und ungeklärte Probleme zwischen den Eltern tragen generell zur Verschlechterung der Eltern-Kind-Beziehung bei, sei dies aus rückblickender Sicht der Kinder oder in einer prospektiven Längsschnittstudie, die Familien schon vor der Trennung erfasst und bis weit darüber hinaus die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung verfolgt hat.
Generell scheinen starke Elternkonflikte mit späterem schlechterem gesundheitsbezogenem Verhalten, ungünstigerem Bewältigungsverhalten und geringerem Selbstwert der jungen Erwachsenen einherzugehen.
Auch still ausgetragene Konflikte werden rückblickend als starke Belastung erlebt und scheinen mit der erhöhten Gefahr depressiver Entwicklungen einherzugehen.
Allerdings scheinen nicht alle Kinder innerhalb einer Familie solche Belastungen gleichermassen zu erfahren. Sie variieren vor allem danach, wie stark die Kinder in den Elternkonflikt einbezogen waren.
Hochkonflikthafte Eltern – für Beistandspersonen ein Drama?
Dass Trennungskonflikte von den beteiligten Fachkräften als so dramatisch erlebt werden, hat einen realen Hintergrund, denn
münden die Konflikte in gravierende familiengerichtliche Auseinander-setzungen, so steigt einerseits die Gefahr von Umzügen und andererseits sinkt die Wahrscheinlichkeit finanziell sinnvoller Einigungen und regelmässiger Unterhaltszahlungen;
starke Konflikte zwischen den Eltern tragen dazu bei, dass die Kontakte der Kinder zu dem von ihnen getrennt lebenden Elternteil zurückgehen und die Beziehung zu diesem Elternteil belastet wird;
sie beeinträchtigen die Qualität des elterlichen Erziehungsverhaltens.
Auf den verschiedenen Konfliktstufen sind unterschiedliche Vorgehensweisen angezeigt
Einer guten Beiständin kann es möglicherweise gelingen, durch eindeutige und transparente Strukturen nicht bloss dafür zu sorgen, dass nicht erneut nur Konflikte ausgetragen werden und neue Verletzungen entstehen – was in der Folge die Gefühle von Hilflosigkeit weiter verstärkt –, sondern neben den Strukturen auch Angebote zu schaffen, die das Selbstwirksamkeitserleben wieder erhöhen. Dazu bedarf es mutmasslich zweierlei:
Verständnis für den einzelnen Elternteil finden, für seine Verletzung und Enttäuschung im Konflikt und für seine grundlegenden Interessen, ohne deswegen seine Sichtweise und seine Positionen zu übernehmen.
Dem subjektiven Gefühl der Eltern, die Kinder aus den Augen zu ver- lieren, etwas entgegenzusetzen: Wiedererlangung der Erziehungs- kompetenzen durch psychoedukative Schulungen, zum Beispiel in Kursen wie «Kinder im Blick» oder sonstigen erziehungsberaterischen Hilfen.
Viel Aufwand und wenig Ertrag?
Eltern können die Belastungen der Kinder mit zunehmendem Konfliktniveau immer weniger realistisch und unabhängig von ihrer Belastung im Konflikt einschätzen. Zudem können sie mit zunehmendem Konflikt immer weniger angemessen zugewandte Erziehung leisten.
Ein rascher Beginn mit Schutz und Hilfestellung für HC-Familien ist fraglos zu befürworten, schnelle Lösungen sind jedoch eher unwahrscheinlich. Gerade die geringe Offenheit für Erfahrungen solcher Eltern muss in einer Planung der Beratung ausreichend Berücksichtigung finden.
Die Arbeit mit HC-Familien erfordert sehr viel Zeit und gute Nerven.
Im Besonderen verlangt die Situation auch nach Möglichkeiten, vorläufige Lösungen auszuprobieren und diese dann auch subjektiv als tragfähig – und nicht nur objektiv als sinnvoll – anzuerkennen.
Eine klare Fokussierung darauf, dass die Eltern wieder ihre Elternrolle übernehmen, ist bei hochstrittigen Eltern besonders wichtig.
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Was erleben hochkonflikthafte Eltern aus ihrer subjektiven Sicht als hilfreich?
Quellenhinweise:
Dr. Jörg Fichtner – Subjektive Sichten und Studienergebnisse zur Hochkonflikthaftigkeit iFamZ 2013, 110 Heft 2 / 2013
Hochstrittige Umgangskonflikte – Fachdossier, Kanton Zürich, Amt für Jugend und Berufsberatung, 2022