Masterarbeit von Raphaela Isabella Reichlin, 2013, Universität Zürich
Betreuung durch Frau Prof. Dr. iur. Andrea Büchler

Urteils(un)fähigkeit

Die Beurteilung der Urteilsfähigkeit bzw. –unfähigkeit kann in der Praxis zu Problemen führen. Es gibt unzählige verschiedene Situationen, in denen zu bewerten ist, ob nun eine dement gewordene Person urteilsfähig ist, um etwas selber zu entscheiden. Dieser Zustand kann bereits in einfachsten Alltagssituationen – z.B. bei der Menüwahl o.ä. – auftreten. Daneben ergeben sich weit komplexere Fragen, wenn man z.B. feststellen muss, ob jemand noch rechtsgültig ein Geschäft abschliessen kann und darf. Es kann zu Problemen führen, wenn entschieden werden muss, wann die Schnittstelle überschritten ist, dass jemand nicht mehr für seine „eigene Vorsorge“ Regelungen treffen darf.

Es muss folglich geprüft werden, wie die rechtliche Sicht auf den Begriff der Urteils(un)fähigkeit konzipiert ist und wie man medizinisch damit umgeht bzw. wie die beiden Gesichtspunkte miteinander verknüpft sind. Auch ethische Überlegungen werden in der Masterarbeit von Raphaela Isabella Reichlin erläutert. Schliesslich werden unter dem Titel „Handhabung in der Praxis“ verschiedene Erkenntnisse aus den Interviews mit Fachleuten wiedergegeben. Dabei wird veranschaulicht, ob und wie die rechtlichen Anforderungen in der Praxis umgesetzt werden. Zum Schluss folgt ein Fazit über den gesamten Abschnitt.

Es gibt zwei wichtige rechtliche Prinzipien, welche im Zusammenhang mit der Urteilsfähigkeit unbedingt zu erwähnen sind:

  1. Das schweizerische Recht verfolgt den Grundsatz der Relativität der Urteilsfähigkeit, d.h. für jede Rechtshandlung ist die Urteilsfähigkeit gesondert zu prüfen. Die Beurteilung der Urteilsfähigkeit muss sich an der Art der konkret in Frage stehenden Rechtshandlung orientieren, wobei als zentrales Unterscheidungskriterium die Frage gilt, ob die Rechtshandlung in die Rechtsverkehrssicherheit oder in die höchstpersönlichen Rechte des Betroffenen eingreift.
  2. Im Weiteren wird die Urteilsfähigkeit gesetzlich vermutet, d.h. es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Mensch urteilsfähig ist. Das Aufstellen dieser Vermutung ist eine zwingende Bedingung, ohne die das wichtige Rechtsgut von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr gar nicht aufrecht erhalten werden könnte. Damit wird die Sicherheit im Rechtsverkehr gewährleistet, denn wer der Meinung ist, dass die Urteilsfähigkeit nicht gegeben ist, muss dies beweisen.

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