Berufsbeistandspersonen gelten im strafrechtlichen Sinne als Beamte und unterliegen dem strengen Amtsgeheimnis

Amtsgeheimnis – Berufsbeistandspersonen gelten im strafrechtlichen Sinne als Beamte

Von Marcel Borer

Im Zentrum der Verhandlung vor dem Baselbieter Strafgericht stand am 21. November 2018 die Frage, ob eine Beistandsperson die Funktion einer Amtsperson innehat und damit deren Arbeit generell dem Amtsgeheimnis unterliegt. Nicht in Frage gestellt wurde vom Staatsanwalt Stefan Fraefel, dass im vorliegenden Kindsschutzfall die Beistandsperson im Oktober 2015 in ehrenwerter und bester fachlicher Absicht für Mutter und Kind gehandelt hatte. Doch aus Sicht der Strafverfolgungs­behörde schützen gute Absichten alleine nicht, denn die Beistandsperson habe die Möglichkeit gehabt, sich vom Amtsgeheimnis entbinden zu lassen. Fraefel forderte daher eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 150 Franken. Die Rechtsvertreterin der Kindsmutter verlangte darüber hinaus, die Beiständin habe der Kindsmutter für den erlittenen psychischen Schaden eine Genugtuung von 1'000 Franken zu bezahlen und für deren Anwaltskosten aufzukommen. Die Kindsmutter selber war an der Verhandlung nicht anwesend. Eine Konfrontation mit der Beistandsperson – so deren Rechtsvertreterin – sei nicht zumutbar.

Der Verteidiger Alain Joset wies in seinem Plädoyer unter anderem darauf hin, dass es gerade bei Kleinkindern in prekären Familien­ver­hältnissen entscheidend sei, dass das Helfersystem engmaschig und zeitnah miteinander kommunizieren könne. Im vorliegenden Fall habe es sich um eine psychisch erkranke Mutter mit einer bipolaren Störung sowie um eine emotionale Verwahrlosung ihres Kindes gehandelt und die Psychotherapeutin und Ärztin habe Beistandsperson zur raschen Einreichung eines Antrags an die KESB auf Obhutentzug gedrängt.

Die Beistandsperson selber betonte, sie habe einzig und alleine verhindern wollen, dass die Kindsmutter sich oder dem Kind etwas antue. Es sei ihr – unter anderem auch unter dem Eindruck der damaligen Berichterstattung über die Kindstötung von Flaach – ausschliesslich darum gegangen, dass die Ärztin der Kindsmutter informiert sei und bei einer sich abzeichnenden Eskalation rechtzeitig reagieren könne, um unüberlegte Handlungen der Kindmutter zu verhindern. Sie sei auch heute noch davon überzeugt, damit im Interesse von Kind und Mutter gehandelt zu haben.

Für den Einzelrichter Beat Schmidlin war nach dreieinhalb stündiger Verhandlung der Sachverhalt klar: Auch freiberufliche, und damit nicht nur öffentlich-rechtlich angestellte, Beistandspersonen gelten im strafrechtlichen Sinne als Beamte und unterstehen deshalb ebenfalls dem strengen Amtsgeheimnis. Aus diesem Grund habe die Beistandsperson eine Amtsgeheimnisverletzung begangen, als sie die Psychotherapeutin der Kindsmutter per E-Mail informiert hatte, dass sie nach mehreren Versuchen auf freiwilliger Basis zur Sicherstellung des Kindeswohls bei der KESB einen Antrag auf Prüfung eines Obhutentzugs eingereicht habe. Allerdings greife im vorliegenden Fall ein Rechtsfertigungsgrund, weshalb die Beistandsperson vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen werde.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Kommentar

Für verbeiständete Personen kann und darf es bezüglich der Verschwiegenheitspflicht keinen Unterschied machen, ob eine Beistandsperson ihre Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Anstellungsverhältnis ausübt. Das Urteil des Baselbieter Strafgerichts hält entsprechend fest, dass alle Beistandspersonen im strafrechtlichen Sinne als Beamte gelten und damit dem strengen Amtsgeheimnis unterstehen. Damit verbunden ist auch, dass an die Beistandsperson nicht direkt zivilrechtliche Forderungen gestellt werden können, sondern die Staatshaftung zum Tragen kommt. Der VBBRB wird nun die Schweizerische Vereinigung der Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände (SVBB) auffordern, unverzüglich einen «Leitfaden für Berufsbeistandspersonen im Umgang mit dem Amtsgeheimnis in der interdisziplinären Zusammenarbeit» zu entwickeln, um so für die Berufsgruppe der Berufsbeistandspersonen mehr Sicherheit zu schaffen und sie vor ungerechtfertigten, zeitaufwendig und persönlich belastenden Strafrechtsklagen zu schützen.

22.11.2017 / Marcel Borer

Weitere Quellen

Im Interesse des Kindes gehandelt: Kesb-Beiständin wird freigesprochen
von Patrick Rudin - bz Basellandschaftliche Zeitung

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