Es gibt zu wenige Berufsbeiständ*innen

Rund 60'000 Erwachsene und rund 30'000 Kinder sind in der Schweiz im gesetzlichen Sinne schutz- und hilfebedürftig. Ihnen stehen deutlich zu wenige Berufs­bei­ständ­innen und Berufs­bei­stände gegen­über. Darauf wies am 5. August 2021 die Kon­fe­renz für Kindes- und Erwachsenen­schutz (Kokes) hin. Sie will mehr Personal zur Verfügung stellen. Ausserdem geht es um die interne Neuorganisationen bei Berufs­bei­stand­schaften. Kokes-Prä­si­den­tin Kathrin Schweizer und Regierungs­rätin des Kantons Basel-Landschaft meint dazu: «Berufs­bei­ständ­innen und Berufs­bei­stände können nur dann er­folg­reich unter­stützen, wenn sie sich genügend Zeit für die Betrof­fenen nehmen können. Bei 100 Fällen könne dies nicht gelingen. Ein Berufs­bei­stand soll maximal 70 Erwachsene oder maximal 60 Kinder betreuen.»

Kommentar von Marcel Borer:
Da Umstand und Problematik der zu hohen Fallzahlen für Berufsbeistandspersonen längst bekannt sind und Empfehlungen hinsichtlich Fallbelastung längst bestehen, lässt sich berechtigt fragen, warum die Kokes den Kantonen für eine Verbesserung der Situation weitere «10 bis 15 Jahre» Zeit lassen will.

Alibiübung von Kokes und Kantonen?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um reine Augenwischerei auf Kosten von verbeiständeten Menschen und ihren Berufsbeistandspersonen handelt. Der VBBRB stellt in ihren jährlichen Umfragen zur Arbeitssituation von Berufsbeistandspersonen in der Schweiz seit vielen Jahren fest, dass am Beispiel des Kantons Basel-Stadt die Fallbelastung streckenweise gar deutlich über 100 Dossiers pro Berufsbeistand und Vollzeitstelle liegt und aus fachlicher Sicht sowohl gegenüber den betroffenen Menschen wie auch gegenüber dem Personal nicht zu verantworten ist. Doch ernsthafte Bemühungen, dies zu verbessern, sind nicht zu erkennen. Die Versprechungen des vormaligen Regierungsrates Christoph Brutschin (SP) an der Sitzung des Basler Grossen Rates vom 11. März 2015 in der Antwort auf das Postulat von Grossrat Urs Müller (BastA!) zur Fallbelastung im Amt für Beistandschaften und Erwachsenenschutz (ABES), für Abhilfe zu sorgen[1], sind bis zu dessen Abgang 2021 leere Versprechung geblieben. Zu hoffen bleibt, dass dessen Nachfolger Regierungsrat Kaspar Sutter (SP) die Sache nun ernsthafter und zügiger an die Hand nimmt.

[1] Das ABES ist dank der grundlegenden Optimierung der Organisationsstrukturen einer ersten Anpassung der Personalressourcen (entsprechend dem Fallschlüssel von 90 Fällen pro Berufsbeiständin bzw. Berufsbeistand mit 100%-Pensum) sowie dank qualitätssichernden Organisationsabläufen bereit, die Vorgaben des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts adäquat umzusetzen. Die Anpassung der Organisationsstrukturen wird im Budgetjahr jedoch noch nicht abgeschlossen sein. Grosse Herausforderungen sind einerseits der zielgerichtete Einsatz der vorhandenen Personalressourcen, andererseits das Führen der neuen Beistandschaften, die massgeschneidert auf die Bedürfnisse der betroffenen Person ausgerichtet sind (Basel-Stadt, März 2015).

Zurück