Jahresgespräche gehören abgeschafft

Reingard K. Sprenger im Interview mit Bettina Weber

«Kluge Menschen haben in dummen Organisationen keine Chance»

Reinhard K. Sprenger ist laut «Spiegel» der meistgelesene Management-Autor Deutschlands und seziert so erfrischend wie messerscharf alles, was in der Arbeitswelt als gesetzt gilt.

Von Bettina Weber

Bis Ende April müssen sie in den meisten Firmen geführt werden, obschon sie kaum jemand mag und sie meist nur eine lästige Pro-forma-Übung sind: Die Jahresgespräche. Weshalb wird trotzdem an ihnen festgehalten?
Die Jahresgespräche sind ein Sieg der Bürokratie über die Marktdynamik, der Ordnung über die Vernunft. Sie sind veraltet, behäbig und gehören abgeschafft.

Was ist daran denn so falsch?
An einem erzwungenen, ritualisierten und standardisierten Gespräch ist alles falsch. Das ist kein Gespräch, das ist Erniedrigungsbürokratie, von beiden Seiten als lästig empfunden. Und vom Inhalt her ist es sowieso eine Katastrophe, weil es einzig und allein dazu dient, die autistische Logik der Personalabteilung zu befriedigen: Man blickt ja nur nach innen ins Unternehmen, nicht nach aussen. Der Kunde hat rein gar nichts davon. Da werden Kosten erzeugt, die uns draussen am Markt und in der Lebensqualität der Kunden keinen Meter weiterbringen.

Vorgesetzte sollen heute aber loben, motivieren, Feedback geben - das klingt nach einem Eltern-Kind-Verhältnis.
Geht das in dieselbe Richtung?
Es entsteht gerade ein neues Bild der Gesamtgesellschaft, ich nenne es «Fürsorgliche Belagerung». Politik und Unternehmen dringen damit in Bereiche ein, die man früher Privatleben nannte. Diese Übergriffigkeit schwächt die Menschen, hält sie klein. Das ist besonders beobachtbar bei der Generation Schneeflocke, also den Jungen, die auf alles so zartbesaitet reagieren. Die kippen schon beim Bewerbungsgespräch in ein Burnout. Tatsächlich aber leiden sie an Misserfolgsarmut.

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Reinhard K. Sprenger im Interview mit Bettina Weber
Sonntagszeitung 21.04.2019, S. 47

Der Querkopf

Wenn Reinhard K. Sprenger, 66, laut «Financial Times» «der einzige Management-Guru, der diesen Titel wirklich verdient», über Jahresgespräche redet, wird es lustig. Der Doktor der Philosophie zerpflückt sie so genüsslich wie unerbittlich, und die Firmen, die daran festhalten, dazu. Sprenger beleuchtet formelle Themen der Arbeitswelt auf überraschende Weise, was wohl Grund dafür sein dürfte, dass sich seine zahlreichen Werke hervorragend verkaufen - sein Klassiker «Mythos Motivation» (2010) etwa bis heute 800 000 Mal. Sprenger lebt in Winterthur und Santa Fe, New Mexico, wo er derzeit an einem neuen Buch über Konflikte schreibt.

www.sprenger.com

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